Star-Bariton Clemens Unterreiner ist nicht nur ein gesangliches Universalgenie, sondern auch ein ungemein unterhaltsamer Gesprächspartner. Wir trafen uns mit ihm auf ein paar Gläser, ließen ihn den Weinen Bariton-Rollen zuordnen und erfuhren sogar, warum er einmal „Hamptidampti!“ sang.
Der gebürtige Wiener Clemens Unterreiner studierte zunächst Jura, nahm aber zeitglich bereits Gesangsunterricht und vertiefte seine Kenntnisse in Musiktherorie und Musikwissenschaften, bis er sein Studium aufgab, um sich voll und ganz seiner Sängerkarriere zu widmen. Seit September 2005 ist der erfolgreiche Bariton mit einem überaus breiten Opern- und Liederrepertoire festes Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper.
Just Taste: Das Klischee, dass Opernsänger für eine laute Stimme massive "Eisbrecher" sein müssen, stimmt anscheinend nicht, wenn ich dich anschaue.
Clemens Unterreiner: Oh, danke! Das nehme ich jetzt gleich mal als Kompliment (lacht). Eine laute Stimme bekommt man durch die richtige Gesangstechnik. Aber der Druck ist heute sehr hoch: Du musst schön sein, schlank, am besten Modelmaße haben. Da ist leider manchmal die Stimme zweitrangig.
Ölen wir die Stimme gleich einmal. Der erste 4er-Flight besteht aus weißen Schaumweinen. Wir werden blind verkosten. Was hältst du davon, wenn du den Weinen Bariton-Rollen zuordnest?
Das ist ja spannend! Sehr, sehr gerne! Gerade die Bariton-Rollen sind ja so vielfältig.
Also, was sagst du?
Der erste ist verspielt-gehaltvoll. Da fällt mir gleich Marcello aus Puccinis „La Bohème“ ein. Ein gehaltvoller Bariton, der nicht flüchtig ist. Den Zweiten finde ich ein bisschen langweilig und eher vordergründig. Das könnte ein Beckmesser aus Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ sein. Eine herbe Persönlichkeit.
Was hältst du von Nummer drei und vier?
Der dritte ist sehr interessant! Das ist ein Wolfram von Eschenbach in Wagners „Tannhäuser“. Heldisch, mit positivem Charakter und einer gewissen Wehmut. Und Nummer vier … ist schwer zuzuordnen. (kostet konzentriert). Das ist Silvio in Leoncavallos „Bajazzo“. Er kommt leicht daher und geht auch wieder leicht (lacht).
Die Auflösung: Eigentlich haben wir hier vier Mal Champagner, wobei zwei nicht so genannt werden dürfen. Aber Franciacorta gilt als „Champagner Italiens“. Der erste ist Essence Nature Dosaggio Zero 2009 von Antica Fratta. Also null Dosage und somit staubtrocken.
Nein! Der war am fruchtigsten! Das glaub ich jetzt nicht!
Bemerkenswert, gell? Die anderen sind brut: Franciacorta QBlack Brut von Quarda, dann Roederers Brut Premier und Brut Classic von Deutz.
Sehr interessant! Den Roederer hatte ich in Verdacht, weil ich den oft und gerne trinke. Aber die echte Überraschung war der Antica Fratta.
"In meiner Not habe ich 'Hamptidampti!' gesungen."
Hattest du eigentlich schon einmal einen „Hänger“ auf der Bühne?
Ja, klar! Davon erzähle ich übrigens auch in meinem Buch „Ein Bariton für alle Fälle“. Einmal bin ich eingesprungen, als Antonio in „Le nozze di Figaro“. Und das Lustigste war: Niemand, nicht einmal der Dirigent, hat’s bemerkt. Ich musste „Ascoltate! Ascoltate!“ singen. Glaubst du, mir ist dieses Wort eingefallen? In meiner Not habe ich „Hamptidampti! Hamptidampti!“ gesungen.
Welche Art der Oper singst du eigentlich am liebsten?
Eigentlich alle. Ich mag keine Schubladen. Ich liebe das Schmachten in der italienischen Oper genauso wie das Heroische bei Wagner, den klangexplosiven Richard Strauss und das Elegante, etwas Manierierte der französischen Oper. Ein Sänger sollte, im Rahmen seiner Stimme, alles singen können. Das sage ich auch meinen Studenten: Wichtig ist ein breites Repertoire gleich zu Beginn. Leider wird man in der Ausbildung oft in eine Schublade gesteckt. Dagegen bin ich allergisch.
Dann machen wir lieber weiter mit dem Verkosten. Vier Rosé-Schaumweine. Los geht’s!
Wow, der Erste ist sehr fruchtig und harmonisch. Das ist der Papageno! Er hat diese Farbe und Fröhlichkeit. Und ist irgendwie goschert. (lacht). Nummer zwei… (probiert)… Ui! Der ist aber spannend! Und speziell. Das könnte ein Uhudler-Sekt sein. Der ist für mich Dr. Falke aus der „Fledermaus“. Erinnert mich an Heurigen, weil er spritzig und typisch österreichisch schmeckt.
Und die letzten beiden?
Nummer drei ist fix ein Champagner. Schmeckt mir sehr gut! Herrliche Frucht, aber trocken. Eindeutig ein Herr von Faninal aus Richard Strauss’ „Der Rosenkavalier“. Schwere Rolle, weil er bis zum As hinauf singt. Der Schaumwein ist genauso gehaltvoll. Und der Vierte ist ähnlich, aber weniger fruchtig. Eindeutig Kurvenal aus Wagners „Tristan und Isolde“. Elegant, traditionell, aber verwegen.
Du hast absolut recht! Das sind zwei Champagner: Brut Vintage Rosé 2010 von Roederer und Billecart-Salmons Brut Rosé 2006.
Oh, da bin ich jetzt stolz! Die letzten zwei habe ich tatsächlich als Champagner erkannt! Und die ersten zwei?
Dein Papageno kommt vom deutschen Weingut Bruker und ist ein Muskat-Trollinger, also eine Rebsorte, die man kaum kennt. Er heißt Rosa’s Lumpi…
Da passt ja der Papageno haargenau! Und überhaupt ist der eine echte Überraschung!
So, und dein Uhudler-Sekt ist der Jahrgangsrosé von Redentore aus dem Veneto und ein Pinot Noir. Absolut ungeschwefelt, daher riecht und schmeckt er auch ungewöhnlich.
Ja, der hat mich ein bisschen verwirrt.
Wie bist du eigentlich zur klassischen Musik gekommen?
Weil ich mit fünf Jahren aufgrund einer Augenerkrankung ein Jahr lang plötzlich erblindet bin, haben meine Eltern mich vor einen Kassettenrekorder gesetzt. Vor allem die Kinder-Hörkassetten „Handschrift großer Komponisten“ von Karl-Heinz Böhm haben mich fasziniert. Weil ich erfahren habe, dass Mozart jung gestorben ist, dass Beethoven taub komponiert hat, dass Tchaikovsky immer kränklich war. Dabei habe ich mich in die klassische Musik verliebt.
"Mein Motto: Die einen kennen mich, die anderen können mich."
Bist du heute vollständig genesen?
Die Augenkrankheit wird immer ein Teil von mir sein, aber ich bin in sehr guter Behandlung. Beim Lernen etwa schränkt sie mich ein, weil ich, z.B. die kleinen Punktierungen nicht immer gleich sehe und sehr konzentriert schauen muss. Daher nutze ich alle anderen Sinne auch. Ich lerne schnell über das Gehör, erkenne Menschen in der Ferne an der Körpersprache, aber manchmal übersehe ich leider auch Leute. Manche schimpfen dann: „Der Unterreiner ist ja so arrogant, weil er an einem vorbeischaut“. Aber ich nehm’s mit Humor. Mein Motto: „Die einen kennen mich, die anderen können mich.“ (lacht) Und verstehen es ja jetzt, wenn sie das hier lesen.
Würdest du sagen, dass dich dieser Schicksalsschlag auf deinen Weg zum Sänger gebracht?
Absolut. Ich singe sehr gerne Schuberts „An die Musik“, wo es heißt: „Du holde Kunst, ich danke dir“, weil sie mir so geholfen hat.
Das heißt, auch das Schmecken ist dir wichtig?
Ja, neben der Musik und dem Singen sind Essen, Trinken, Genuss wesentliche Teile meines Lebens.
"Der Wein ist Guglielmo aus Mozarts 'Così fan tutte', weil er ein kleines Schlitzohr ist."
Wie passend: Der letzte 4er-Flight, Weißweine, ist gerade gebracht worden.
Oh, der erste Wein duftet und schmeckt herrlich. Der ist Guglielmo aus Mozarts „Così fan tutte“, weil er ein kleines Schlitzohr, aber auch liebender Mann ist. Der Wein hat Säure, aber auch ein sehr feines Bukett. … Ui, der Zweite ist aber toll! Das ist Don Fernando, der Minister aus Beethovens „Fidelio“. Wahnsinnig elegant und ausgewogen. Was ist das, bitte?
Gleich erfährst du’s. Nummer drei und vier?
Wow! Der Dritte ist schon fast sherry-artig. Der muss schon sehr alt sein. Für mich ist das der Sprecher aus der „Zauberflöte“. Der schwebt über allem. Der Wein wirkt fast weise. Nummer vier …. Ist unheimlich interessant! Der muss alt und aus dem Barrique sein. Er ist Tonio aus „Bajazzo“. Der hat auch schon einiges erlebt, hat eine Narbe im Gesicht und Narben auf der Seele. Ist aber eine große Persönlichkeit wie dieser Wein.
Ich löse auf. Eins: Sauvignon Blanc Fosilni Breg von Domaine Ciringa, dem slowenischen Weingut der südsteirischen Winzerfamilie Tement. Zwei: Riesling Steinzeug vom Kremstaler Urban Stagård. Und, Achtung!, der Dritte ist 20 Jahre alt.
Nein! Wahnsinn!
Ja, der Riesling Vinothek vom Wachauer Nikolaihof ist Jahrgang 1997. Und Nummer vier ist ein Chardonnay aus der Burgund: Chassagne-Montrachet 2013 von Lamy-Caillat.
Spannend! Den hätte ich älter eingeschätzt als den 20 Jahre alten Riesling.
Gibt es eigentlich neben dem Gesang noch eine zweite Leidenschaft in deinem Leben?
Natürlich! Zum Beispiel "Hilfstöne - Musik für Menschen in Not", meine Charity-Foundation. Ich hatte viel Glück in meinem Leben und davon will ich etwas an Menschen in Not weitergeben. Wir arbeiten alle ehrenamtlich, alle Spenden wandern direkt in die Projekte. Wir haben immer ganz verschiedene, weil ich mir jeden einzelnen Fall bewusst anschaue und dann finanziere.
Darauf stoßen wir doch gleich mit zwei Rotweinen an. Beide kommen vom Weingut J. Heinrich aus Deutschkreutz, das wir gerade in unser Sortiment aufnehmen. Zunächst Blaufränkisch Goldberg Reserve 2013.
Das ist Don Giovanni! Weil tolle Fülle, verführerisch, explosiv-lebensfroh. Großartig!
"Wow! Wie Telramund: elegant, aber mit Charakter."
Ja, wir lieben ihn auch sehr. Der Goldberg ist ja eine sehr berühmte Lage, von der geniale Blaufränker kommen. Der zweite heißt „elegy“.
Wow! Das ist Telramund aus Wagners „Lohengrin“. Elegant, aber mit Charakter. Kein Gaumenschmeichler, sondern er hat Ecken, Kanten und Untertöne.
Das ist der Top-Wein des Weinguts. Übrigens eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Merlot.
Also, der Wein schmeckt mir richtig, richtig gut!
Wo trittst du in nächster Zeit eigentlich auf?
Mitte Juli singe ich den Monterone im "Rigoletto" im Steinbruch Margarethen. Für den Rigoletto selbst bin ich noch nicht alt und bucklig genug (lacht). Danach, im August, bei den Steinbacher Philharmonischen Wochen im Steinbach am Attersee und dann debütiere ich beim "Carinthischen Sommer" in Kärnten - beide Male mit Liedern aus Mahlers "Lieder eines fahrenden Gesellen" und in unterschiedlichen Fassungen. Total spannend!
Was würdest du jungen Sängern raten, damit sie auch einmal so weit kommen wie du?
Lass´ dir niemals was ausreden! Ich habe mir meinen Traumberuf erkämpft, weil ich ganz zu Beginn oft als zu alt oder zu schlecht bezeichnet wurde. Aber ich habe nicht aufgegeben. Heute bin ich an der Wiener Staatsoper als einer der wenigen österreichischen Sänger. Also: Nicht resignieren, sondern fleißig sein und mit Disziplin und Mut, dem inneren Feuer und Leidenschaft weitermachen. Und lasst euch bitte nicht die Freude am Singen nehmen!
Du willst noch mehr wissen?
Infos über Clemens Unterreiner erfährst du unter www.unterreiner.at , sein unterhaltsames Buch "Ein Bariton für alle Fälle" ist im AMALTHEA Verlag erschienen. Und alle Informationen zu den HILFSTÖNEN findest du unter www.hilfstoene.at